Mitteilungen der Deutschen Mathematiker-Vereinigung 1-2000, S. 17

Burkhard Straßmann: ZahlenmagieBurkhard Straßmann: Zahlenmagie

Gibt es eigentlich noch Leute, die sich über entsetzliche Erlebnisse im ,,Mitropa''-Speisewagen aufregen können? Über zusammengefallenen Chefsalat, eiskalten Rotwein, pampiges Personal und ,,tut-mir-leid-wir-haben-nur-noch-Snacks''? Solche Leute gibt es, in jedem Reiseteil überregionaler Zeitungen finden sich empörte Kommentare und einschlägige Hassbriefe. Ich dagegen: Klebe im abgewetzten Plaste-Polster des Mitropa-Bistros im Interregio Bremen-Saarbrücken, warte seit einer geschlagenen Stunde auf meine Gulaschsuppe und lächele vor mich hin. Denn mir geht's gut: Ich betreibe Zahlenmagie.

Zahlenmagie geht so: Man fängt immer mit der Zahl an, die einem zuerst einfällt, das ist laut amerikanischen Untersuchungen meistens die 87. Bekanntlich ist 87 nicht nur ein, sondern das Produkt aus 29 und 3, deren Summe allerdings 32 ist. Eine durchaus leckere Zahl, die 32, freundlich, heiter, Quersumme 5. Die 5 merken wir uns, indem wir eine Faust ballen. Der zweite Anlauf mit der 87 führt uns zur Quersumme 15, die sich mit der leckeren 32, der Anzahl der geballten Fäuste und dem Inhalt der geballten Faust zu 53 vereint, was - jaja! - vor drei Jahren Handkes Alter war, aber auch mein Geburtsjahrgang ist. Wenn man unbedingt will, kann man aus dem Jahrgang auch mein Alter errechnen: 87 (!) durch 3, vom Ergebnis die Quersumme, und die möge man vom Jahrgang abziehen. Das Ergebnis entspricht exakt der Zahl, die Herren meines Alters gegenüber attraktiven Barbekanntschaften angeben, wenn sie nach ihren Lenzen gefragt werden.

Eine prima zahlenmagische Erfindung ist übrigens die Digitaluhr. Früher las man von der alten Analoguhr ,,kurzvoracht'' oder ,,gleichacht'' ab. Heute dagegen ist es ,,7 Uhr 53'', und wenn der Tag mit dem Geburtsjahrgang anfängt, wird er ein Glückstag. Das sollten Sie ausprobieren! Glücksgläubige hatten natürlich im vergangenen September ihren großen Tag: In Massen heirateten sie am 9. 9. 99. Das Zahlenmagische an diesem Datum: Die Quersumme ist 36, davon die Quersumme wieder die 9, ein Zusammenhang, der schon die tantitheistischen Apokryphen-Exegeten des 9. (!) nachchristlichen Jahrhunderts in Raserei versetzte. Seitdem spekulieren sie darüber, was Gott wohl am 9. Tag tat und ob er eine Tochter hat und betrachten die 9 als magisch, die 99 als bimagisch, die 999 als tripelmagisch und den 9. 9. 99 als Schnapszahl. Ich kenne ein Paar, das hatte schon zwei Kinder und im Januar 99 den Standesamtstermin 9. 9. 99 um 12.10 Uhr bekommen. Kein Zufall! September = 9/99, Quersumme 27, Ziffernprodukt 14 minus 9 (Januar 99 = 1/99, Quersumme 19, Ziffernprodukt 9) ergibt 5, plus Quersumme 12.10 (Uhr) ist wieder 9! Verrückt, nicht wahr? Oder mit den Worten von Pythagoras: ,,Die Zahl regiert das Universum!''

Bilden wir noch einmal, ein allerletztes Mal, die Quersumme von 53 und hängen sie an die Quersumme von 87 an, haben wir die Lizenznummer des Taxis, das ich drei Jahre lang durch die kleine Bremer Nacht bewegte. Dies nur als Beispiel für einen zahlenmagischen Abweg. Ein zahlenmagischer Rückweg aber ist dieser: Addieren wir die Quersumme der leckeren 32 zur nun schon hinlänglich beschworenen 87, erhalten wir die Summe von 1, 9, 13, 15, 16, 18 und 20. Diese Zahlenreihe, als Buchstaben des Alphabets gelesen, ergibt, richtig sortiert, das Wort ,,Mitropa''. Darauf einen Schümli-Kaffee!


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On 8 Jun 2000, 07:54.